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Samstag, 25. Dezember 2004

Manchmal kommt es anders


Die Nacht von Donnerstag auf Freitag - vier Tage bis Vollmond - die Nacht vor Heiligabend. Ich lag halbwach und drehte mich von einer Seite zur anderen. Tausend Gedanken im Kopf.

Hab ich alles eingepackt, was ich brauche? Wie wird der Flug? Werde ich mich auf dem Weg zum Haus verfahren? Wer mich kennt, wird wissen, daß die letzte Frage durchaus seine Berechtigung hat. Nochmal auf die Uhr schauen ... es ist kurz vor halb eins. Ich muss nochmal aufs Klo ... Treppe runter, na toll. Bin wieder ganz wach. Hinlegen - Augen zu - schlafen, los! Ich muss früh hoch. Muss noch duschen und Haare waschen. Nochmal auf die Uhr schauen ... es ist kurz vor eins. Ich muss nochmal aufs Klo AngenervtAugenVerdreh ....

Da liege ich nun. Dreh mich wieder auf meiner Matratze hin und her. Plötzlich hellwach, kerzengrade sitze ich im Bett. In meinem Kopf hämmert es gewaltig. "Poch ... Poch ... Poch ... Jemand zu Hause? Hallo? Halloooooooooohooo? Merk mal was!" hämmert es. "Flieg nicht!" hämmert es. "Was willst du denn da, du gehörst da nicht hin!"

Hm. Letzte Woche hatte ich schon zweimal so ein Gefühl in der Magengrube, daß ich nicht fliegen sollte. Hab ich wieder weggeschoben dieses Gefühl. Es rächt sich, wenn man Gefühle beiseite schiebt. Das hatte ich nun davon. Wenn man die leisen Töne überhört, wird der Bass aufgedreht, zu den unmöglichsten Zeiten.

Kurz nach eins, mitten in der Nacht. Um sechs soll ich aufstehen. Na gut, dann steh ich jetzt auf. Renne wie ein Tiger im Käfig in meiner Wohnung auf und ab - drei Stunden lang. Zwischendurch versuche ich, doch noch zu schlafen - klappt nicht.

Dann, kurz vor vier, beschließe ich endlich: ich bleibe zu Hause, scheiß auf den Flug. Prompt schlafe ich ein. Komisch, gell?

Um sechs geht der Wecker. Ich steh auf. Ich geh duschen, Haare waschen. Stehe vorm Spiegel, schminke mich mechanisch. Denke an nichts. Sehe mich irgendwie auch gar nicht wirklich. Sehe durch mich hindurch .... Viertel vor sieben. Ich habe einen Kaffee getrunken. Stehe wieder vorm Spiegel, trockne meine Haare. Dann sehe ich mich. Ich sehe mich im Spiegel. Ich schaue mir in die Augen. Ich spreche mit mir. " Hey" sage ich zu mir. "Du hast dir doch versprochen, immer auf dein Gefühl zu hören! Warum also zweifelst du jetzt? Wenn du nicht fliegen willst, dann lass es!" Ja, aber .... das ist doch jetzt verrückt! Ich habe den Flug, das Haus, das Auto gemietet. Es wird sicher eine schöne Zeit werden. Warum sollte ich das sausen lassen?

Ich lege den Fön zur Seite. Ich setze mich auf den Klodeckel und halte meinen Kopf in meinen Händen. Ich horche in mich. Möchtest du fliegen? Nein, lautet die Antwort. Was möchtest du denn, frage ich mich? Ich möchte hier bleiben, zu Hause. Ich habe es hier so schön, alle Menschen, die mich lieb haben, sind hier. Warum sollte ich das tauschen gegen ein fremdes Land, ein fremdes Haus? Das hatte ich vor zwei Jahren vier Tage lang, das hat mir nicht gefallen.

Ich saß noch eine Stunde voller Zweifel. Um halb acht rief ich Heike an, die mich zum Flughafen bringen sollte. Heike, sagte ich, leg dich wieder hin, ich bleibe zu Hause.

Oh das finde ich schön, sagte Sie. Es ist gut und richtig, daß du bleibst. Ich wollte es dir eigentlich schon gestern sagen, daß du lieber nicht fliegen solltest, aber du hättest mich sicher für verrückt erklärt, sagte Sie.

Heute morgen, als ich mit meinem Hund über die Wiese ging und ein lauer Wind mir ins Gesicht wehte, die Sonne leicht hinter den Wollen vorschaute, holte ich tief Luft und spürte eine große Zufriedenheit in mir. Tja, so ist es nun: Ich bin hier und das ist auch gut so!


 
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